Am Dreikönigsanlass der Gruppe für Innerrhoden (GFI) mit Landeshauptmann Stefan Müller fanden sich 14 Interessierte zum angeregten Austausch am Montagabend im Nebengebäude des Gasthauses Hof in Appenzell ein. Im kurzweiligen Gespräch mit Ruedi Angehrn zeigte sich der Landeshauptmann als besonnener Kommunikator – auch in heiklen Fragen.
Kein Kanton sei so sehr von der Landwirtschaft geprägt wie der Stand Innerrhoden. In keinem Kanton sei der Anteil der in diesem Sektor tätigen Bevölkerung noch so gross, begrüsste GFI-Präsident Josef Manser Landeshauptmann Stefan Müller und übergab den Magistraten Ruedi Angehrns Fragen.
Stetes Streben nach der Balance
Etwa zu drei gleichen Teilen beschäftigen den 2015 als Landeshauptmann in die Standeskommission gewählten Zimmermann und Meisterlandwirt erstens die Regierungsarbeit in der Standeskommission, mit den zwei wöchentlichen Sitzungen und der Kommissionsarbeit. Aufwändiger als erwartet habe, zweitens, sich die Führung des Departements mit fünf Amtsleitern und rund 25 Mitarbeitern erwiesen, und das letzte Drittel seiner Zeit widme er der Bundesebene, wo er seit 2022 als Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz seine lange Erfahrung auf höchster Ebene einbringen könne, erklärte der Landeshauptmann auf Angehrns Einstiegsfrage nach seiner Zeiteinteilung. Da 95 Prozent der Landwirtschaftspolitik auf Bundesebene gestaltet würden, bleibe den Kantonen wenig Spielraum. Und dann gibt es noch den Markus Ritter, den «Mitte» Politiker, dem niemand widerspreche und der eher Fuchs als Ritter heissen müsste, flachste Angehrn. Tatsächlich, erklärte Müller, hätten die einzelnen Fachdirektorenkonferenzen bei der Biodiversitätsinitiative gern einen indirekten Gegenvorschlag gesehen, aber das Parlament folgte darin Ritter.
Mit etwas Mühe habe die vakante Stelle des nationalen Wolf-Verantwortlichen (Fachstelle «Wildtiere & Artenförderung» im Bundesamt für Umwelt, Bafu) besetzt werden können, verriet der oberste Landwirtschaftsdirektor. Dessen Namen werde man wohl demnächst erfahren.
In den letzten Jahren sei die Einkommensentwicklung der Bauern ungünstig verlaufen, weshalb das Parlament den Zahlungsrahmen von 14,2 Milliarden für die nächsten vier Jahre bewilligte. «Dieser Betrag ist nicht, wie viele fälschlicherweise meinen, was im Budget 2025 für Landwirtschaft vorgesehen ist, sondern der Rahmen für die nächsten vier Jahre», betonte Landeshauptmann Stefan Müller.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene lineare Kürzung der Direktzahlungen um zwei Prozent hätten die Landwirtschaftsdirektoren abwenden können. Diese hätten die Bergbauern weit härter getroffen, als die Bauern im Talgrund. Letztere beziehen 80 Prozent ihres Einkommens aus dem Verkauf ihrer Produkte, während in Innerrhoden in den Bergzonen eins und zwei (es geht bis vier) dies nur 50 bis 60 Prozent des bäuerlichen Einkommens ausmache. Hier sieht er seine Stärke und seine Aufgabe als Präsident der Landwirtschaftsdirektorenkonferenz, im komplexen Geflecht der Direktzahlungen das rechte Mass zu bewahren und Schreibtischideen auf ihre Auswirkungen in der Praxis zu prüfen.
Die Alpen Innerrhodens würden nach Häuptern nach wie vor wie vor fünfzig oder hundert Jahren bestossen. Natürlich seien diese Kühe nun schwerer und leistungsfähiger und würden auch mehr «düngen», da aber die Schweinehaltung auf den Alpen stark reduziert wurde, gleiche sich dies aus. Ohnehin mache er einen Trend zur Rückkehr zu den widerstandsfähigen Original-Braunvieh-Kühen aus.
Bauer: Beruf mit Zukunft
Auf die grosse Zahl von jungen Menschen, welche eine Lehre zum Landwirt EFZ ergreifen, angesprochen, bei gleichzeitigem Fortschreiten des Betriebsschwundes, weist Müller auf die grosse Zahl von Bauern hin, die in den nächsten 10 bis 15 Jahren das AHV-Alter erreichen werden. «Es wird ein Generationenwechsel stattfinden. Die Jungen sind sehr innovativ», freute sich Müller. Die Möglichkeit, auf dem Bauernhof eine Familie zu gründen, sein eigener Chef und Meister zu sein und dort zu arbeiten, wo andere Erholung suchten, halte den Bauernberuf auch bei bescheidenem Einkommen attraktiv. Mit Sorge beobachtet er den Absatzrückgang bei Bioprodukten, das neue Wettrennen um tiefe Preise der Grossverteiler und die Schere, die sich zwischen den in Umfragen geäusserten Konsumentenwünschen und dessen Kaufverhalten öffne.
Finanzen und Verwaltungsgebäude
Im zweiten Teil geriet die Innerrhoder Politik in den Fokus. «Über die Streichung beim Personalbudget von 800 000 Franken durch den Grossen Rat waren wir natürlich nicht erfreut», räumt Stefan Müller ein. Aber seit seiner Zeit als Kassenwart und Hauptmann des Bezirks Schwende sei er es gewohnt, mit Zahlen zu hantieren. Die Standeskommission sei nicht in Panik verfallen. Dass man dem Kantonspersonal den Teuerungsausgleich habe streichen müssen, sei ebenso unerfreulich, wie die geschaffenen Stellen, die man nun nicht werde besetzen. «Wir werden bei den Budgets die Nettoaufwände in den Departementen überprüfen müssen. Einerseits kommen immer neue Aufgaben und Anforderungen auf die Kantonsverwaltung zu, andererseits knausert man beim Geld. Das geht nicht auf», meint Müller.
Ob man nicht auf der Einnahmenseite Massnahmen ergreifen wolle, wurde gefragt. «Die Standeskommission will vorerst von einer Steuererhöhung für natürliche und juristische Personen absehen», sagt er. Man sehe aber Spielraum für Erhöhungen bei einzelnen Spezialsteuern. Kritisch wurde gefragt, ob die Verzögerung der Investitionen dazu führen könne, dass Landsgemeindebeschlüsse dann nicht umgesetzt würden. Hier betonte der Landeshauptmann, eine überdachte Priorisierung der Investitionen sei nicht mit einem Verzicht gleichzusetzen. Aus dem Publikum wurde der Fall des Spitals ins Feld geführt, wo sich das Umfeld nach dem positiven Landsgemeindebeschluss derart verändert hatte, dass der Rückzug des Projekts sinnvoll gewesen sei. «Und den Rückzug des Projekts brachte die Standeskommission wieder vor die Landsgemeinde», betonte Müller. Ob man das derzeit im Bewilligungsprozess blockierte Verwaltungsgebäude nicht in der alten Migros unterbringen könne, wurde gefragt. Bei der Planung des Verwaltungsgebäudes sei diese Option noch nicht zur Verfügung gestanden, meinte Müller, ausserdem würde ein erneutes Projekt viele Kosten mit sich bringen.
PFAS und Gutschein statt Enzyklika
Josef Manser schnitt schliesslich noch die PFAS-Thematik an. Stefan Müller erklärte, Trinkwasser und Milch seien nun als erstes von der Arbeitsgruppe untersucht worden. Erwartungsgemäss habe man auch in Innerrhoden PFAS gefunden, auch durchaus unterschiedliche Mengen, aber nirgends in alarmierendem Ausmass. An den jährlich stattfindenden Informationsabenden im Januar werde sein Departement die Bauern informieren.
Josef Manser verdankte Müllers interessanten Ausführungen mit vier Flaschen Wein und statt Papst Franziskus’ Enzyklika «Laudato si», die nur «on demand» gedruckt werde, bekam er einen Gutschein von Appenzellerland Tourismus. Des Pontifex Ideen über den rücksichtsvollen Umgang mit der Schöpfung könne sich der Vorsteher des Land- und Forstwirtschaftsdepartements ja noch privat anschaffen.
Appenzeller Volksfreund, Giorgio Girardet